Hallo V.,
ein interessantes Thema für Deine Facharbeit, dummer Weise mit schlechtem Timing: Jetzt, wo (fast) alle Kakteen (=
Cactaceae, nicht
Cactacea) und
Bryophyllum-Arten (nicht
Bryuphyllum) in die Winterruhe gehen, sind leider viele denkbare Versuche nicht möglich, weil sie ohne ein bisschen Stoffwechsel nicht funktionieren. Das gilt vor allem für das Thema „Verhungern“: Nährstoffe nehmen die Pflanzen jetzt kaum oder gar nicht auf, und CO2 ebenfalls nur sehr begrenzt. Daher ist eine pH-Wert-Messung im Zellsaft als Nachweis für nachts gebildete Apfelsäure (übrigens als CO2-Speicher, nicht O2-Speicher wie David versehentlich geschrieben hatte) auch nur in der Wachstumsphase sinnvoll.
Jetzt noch wirksam sind bei den Pflanzen aber verschiedene Mechanismen zum Schutz vor Verdunstung. Auch die lassen sich bei größerer Hitze leichter messen, aber vielleicht geht da trotzdem etwas:
Beispiel Anzahl der Spaltöffnungen: Die ist bei Sukkulenten generell niedriger als bei „normalen“ Pflanzen. Ohne es genau zu wissen: Es könnte sein, dass die bei schwächer sukkulenten Arten (etwa
Bryophyllum daigremontiana mit breiten Blättern, Weihnachtskaktus) höher ist als bei hoch sukkulenten (
Bryophyllum tubiflora mit zylindrischen Blättern, Kugelkaktus).
Beispiel Wachsschicht: Sowohl Brutblätter als auch Kakteen haben je nach Art unterschiedlich starke Wachsüberzüge, die die Verdunstung über die Oberfläche herabsetzen. Vielleicht lässt die sich auch (chemisch?) entfernen oder zumindest reduzieren, dann könnte man z.B. vergleichen, wie schnell unveränderte und behandelte Brutblatt-Blätter oder Kakteensprossen Gewicht (= gespeichertes Wasser) verlieren.
Beispiel Oberflächenverringerung: In ähnlicher Weise könnte man den Wasserverlust bei verschiedenen Brutblättern (z.B. den oben genannten) und Kakteen (fast kugelförmig, z.B.
Mammillaria gracilis, abgeflacht, z.B. Weihnachtskaktus) vergleichen.
Beispiel Schattierung: Ausmessen oder berechnen, wie viel Prozent der Körperoberfläche direkte Sonne abbekommen bzw. im „selbst gemachten“ Schatten liegen. Das dürfte bei einer
B.tubiflora (vorausgesetzt, sie ist natürlich, d.h. kompakt, gewachsen) anders sein als bei einer
B.daigremontiana, bei einem Kaktus mit deutlichen Rippen anders als bei einem eher glatt kugeligen oder einer
Mammillaria.
Zu den Mechanismen gegen das Verdursten zählt auch der Schutz des eigenen Wasservorrats vor Tierfraß, also Dornen, Bitterstoffe, Gifte, Tarnung usw., wobei ich da jetzt auch keine spontane Idee für einen passenden Versuchsaufbau habe. Vielleicht einem Kaninchen eine Schale mit entdornten Kaktussprossen und eine mit normalen anbieten? Oder eine mit Gurken und eine mit
Lophophora 
?
Und noch kurz ein paar Begriffserklärungen zum Thema:
Xerophyten = Pflanzen mit Anpassungen an (zumindest zeitweise) trockene Standorte
Sukkulenten = Pflanzen mit speziellem Speichergewebe für Wasser in ihrem Körper (Wurzel, Blätter und / oder Stamm).
Kakteen /
Cactaceae = Pflanzenfamilie, die (fast) ausschließlich aus Sukkulenten besteht (meist Stammsukkulenz)
Dickblattgewächse /
Crassulaceae = Pflanzenfamilie mit hohem Anteil an Sukkulenten (meist Blattsukkulenz; hierher zählt auch die Gattung
Kalanchoe mit der Sektion
Bryophyllum)
Die Namen, die ich kursiv geschrieben habe, sind botanische Bezeichnungen für miteinander verwandte Pflanzengruppen (Familie, Gattung, Sektion, Art …); die wissenschaftlichen Fachbegriffe Sukkulenten, Xerophyten usw. beziehen sich auf bestimmte Eigenschaften bei Pflanzen, die in diesen Fällen verschiedene Verwandtschaftsgruppen unabhängig voneinander „erfunden“ haben. So gibt es z.B. Blattsukkulenten auch bei den
Portulacaceae,
Aizoaceae,
Agavaceae u.a., die verwandtschaftlich mit den
Crassulaceae nichts zu tun haben, oder Stammsukkulenz auch in den Familien
Euphorbiaceae,
Asclepiadaceae u.a.
Ich hoffe, ich konnte Dir etwas weiterhelfen!
Gruß
Wolfgang