Hallo ihr gibbulos(oid)en!
Wenn ich hier schon Zeuge einer öffentlichen Seelenpinkelei geworden bin (wehe, ich bekomme dieses Bild nicht mehr aus dem Kopf!!!), möchte ich dann doch einen (hoffentlich hilfreichen) Kommentar dazu abgeben.
Nur der Übersicht halber, falls ich das richtig mitbekommen habe:
- Ritter hat in freier Wildbahn eine Parodia gefunden und als
Par.gibbulosa beschrieben.
- Ritters Beschreibung ist gültig, d.h. er hat die Regeln des damals gültigen Botanischen Codes eingehalten.
- Brandt hat in einer Sammlung eine Parodia gefunden und als
Par.gibbulosoides beschrieben.
- Brandts Beschreibung ist
Möglichkeit 1: gültig, d.h. er hat die Regeln des damals gültigen Botanischen Codes eingehalten, oder
Möglichkeit 2: ungültig, weil er nachweislich (!) auf einem Ableger von Ritters
Par.gibbulosa, also bereits gültig beschriebenem Material basiert.
Bei der Diskussion hier frage ich mich jetzt, ob da nicht teilweise Fragen der Systematik (ist es eine Art oder sind es mehrere) mit nomenklatorischen Problemen (welche Namen gibt es, und welche davon sind gültig beschrieben) vermischt werden.
Für die Nomenklatur gibt's klare (na ja, zumindest theoretisch ...) Spielregeln: Den Internationalen Botanischen Code. Wer sich an den hält, produziert als Ergebnis einen gültigen Namen.
Bei der Systematik ist die Sache komplizierter: Da kann / sollte / muss nämlich jeder selbst entscheiden, welche Pflanzen er für "etwas Verschiedenes" hält, sei es Art, Gattung, Form oderwasauchimmer. Dafür gibt es kein offizielles Gremium, und sogar die Spielregeln für diese persönliche Entscheidung sind relativ vage - jeder muss seine Meinung "nur" begründen können, d.h. festlegen, nach welchen Kriterien er entscheidet, was er als eigene Art betrachtet, anhand welcher Merkmale er zwei Gattungen getrennt hält usw. Das Gremium "Cactaceae Consensus Group" ist also kein internationales Gericht, dessen Meinung jeder zu übernehmen hat, sondern ein Gremium, das vermeiden möchte, dass die Sache all zu unübersichtlich wird, und dazu - wie der Name schon sagt - Mehrheitsmeinungen erarbeitet. Die haben durch die Qualifikationen der Mitglieder schon einiges Gewicht, aber es steht jedem frei, sich seine eigene Meinung zu bilden.
Danach gilt es dann "nur noch" zu prüfen, welches nach den nomenklatorischen Regeln der älteste gültige Name ist, der für diese persönliche systematische Meinung zur Verfügung steht. Heißt umgekehrt: Nur weil es einen gültigen Namen für eine Pflanze / Gattung / ... gibt, oder dieser Name auf dem Etikett einer Pflanze steht, brauche ich sie nicht für etwas Eignes zu halten.
Heißt in diesem Fall:
- Der älteste Name für diese Pflanzen ist
Par.gibbulosa Ritter.
- Wer diese Pflanzen für eine Art hält, muss sie demnach
Par.gibbulosa nennen,
Par.gibbulosoides ist dann nichts weiter als ein Synonym (falls überhaupt gültig, siehe oben).
- Wenn jemand der Meinung ist, dass es zwei verschiedene Taxa sind, dann ist der älteste Name für dieses zweite Taxon
Par.gibbulosoides Brandt (Möglichkeit 1), oder (Möglichkeit 2) das Taxon hat noch keinen gültigen Namen. Dann darf dieser jemand nach den ICBN-Regeln aktiv werden.
Ist natürlich ärgerlich, wenn ein Vielschreiberling wie Brandt (oder Halda oderwerauchimmer) die Suche nach dem jeweils gültigen Namen unnötig aufwändig macht. Aber wenn ich eine andere systematische Meinung habe als er, kann ich seine nomenklatorischen Ergüsse ignorieren, auch wenn sie formal korrekt waren.
Seelenfrieden wieder hergestellt? Oder habe ich jetzt eine vermeintliche Lebensaufgabe zerstört
? Ich wünsche jedenfalls weiterhin viel Freude + Erfolg mit den Pflanzen!
Viele Grüße
Wolfgang