Eriosyce im weiteren Sinne

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nobby
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Re: Eriosyce im weiteren Sinne

Beitrag von nobby »

Hallo,

ich habe mir die letzten Beiträge noch mal angesehen und möchte noch mal die Frage stellen, wodurch sich den die küstennahen von den küstenfernen Kakteen unterscheiden sollen?
Küstennah = Nebel?
Küstenfern = Regen?

Ich bin nun wirklich kein Fachmann für chilenische Kakteen, aber meines Wissens wachsen Thelocephalen immer nur in der Region des Küstennebels!
Vielleicht kann uns da ja auch "lautaro" weiterhelfen.
Ich kenne aber dutzende Fundorte, an denen Rübenwurzler neben Flachwurzlern stehen.
Ist da was schiefgelaufen in der Entwicklung?

Herzliche Grüße
Nobby
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scoparius
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Re: Eriosyce im weiteren Sinne

Beitrag von scoparius »

Mit Informationen zum Habitat kann ich wenig aus erster Hand beisteuern. Da haben andere sicher eine qualifizierere Meinung. Aber ob Rübenwurzel oder mehr oder weniger ausgedehntes Faserwurzelsystem- beides sind Überlebensstrategien von Pflanzen, die zu einem gewissen Anteil innerhalb einer Art vererbt (genetisch festgelegt) sind, weil sie sich als nützlich erwiesen haben.
Aber Pflanzen wachsen nicht immmer in ihrer idealen Umgebung und können sich an verschiedene Umweltbedindungen anpassen. Dies führt warscheinlich dann auch zu einer modifizierten Ausprägung von genetisch festgelegten Merkmalen.

Hier noch ein paar ca 3 jährige JA Sämlinge von Eriosyce villosa
Ja 65 (East of Carrizal Bajo, high mountains)
Eriosyce villosa JA65 2011 Februar12 037.jpg
JA13 (Huasco, coastal hill)
Eriosyce villosa JA13 2011 Februar12 023.jpg
JA210 (Huasco)= Küstenstadt
Eriosyce villosa JA210 2011 Februar12 028.jpg
Asclepidarium
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Re: Eriosyce im weiteren Sinne

Beitrag von Asclepidarium »

Hallo zusammen,.

jetzt muss ich doch auch einmal mitmachen:

1. Die Diskussion um den Sinn von Rübenwurzeln ist viel zu zielgerichtet und auf zu wenige Faktoren konzentriert. Das Vorkommen von Pflanzen wird mit ganz wenigen Ausnahmen sicher nicht nur durch ein Merkmal bestimmt, sondern durch ein Bündel von aut- (vom einzelnen Individuum bzw. der Art "abhängige Faktoren) und synökologischen (Wechselwirkungen zwischen den Individuum einer Art und mit allen anderen Arten) Faktoren bedingt.
2. Unter den selben Umweltbedingungen kommen immer verschiedenste ökologische Anpassungen vor, von denen wir nur die wenigsten tatsächlich so einfach "sehen" können (s. Punkt 5.).
3. Wurzelsysteme sind genetisch bedingt. Die Ausprägung, d.h., wie stark ist die Rübenwurzel oder wie ist das Wurzelssystem am konkreten Standort ausgebildet, wird durch genetische "Variationen" vorgegeben, die am konkreten Standort wiederum durch Umweltbedingungen modifiziert werden können, aber nicht müssen. Auf die Kultur übertragen heißt dies, dass eine gut gedüngte und gewässerte Pflanze durchaus eine kleinere Rübenwurzel machen kann, aber nicht muss. Die kleine Auswertung von Nobby zeigt dies ganz deutlich.
4. Selektiert werden am Standort nur die Individuen bzw. Arten nur durch so negative Bedingungen, dass ein Vermehrung nicht möglich ist. Deshalb können an ein und demselben Standort Individuen einer Art auftreten, deren morphologische Charakteristika unterschiedlich ausgebildet sind (z.B. Rübe stark und tief gehend oder Rübe eher schach und kurz oder Rübe schwach, aber lang etc.).
5. Rübenwurzeln werden allgemein als Speicherorgane gedeutet, die es ermöglichen an ariden Standorten zu überleben. Wie aber schon Nobby zweimal nachgefragt hat, ist dass nur eine mögliche Merkmalsausbildungen. Andere Möglichkeiten für sukkulente Pflanzen, um an solchen Standorten zu überleben sind z.B.: besserer Transpirationsschutz durch dickere Cuticuila, tiefer eingesenkte Spaltöffnungen, höhere Effizienz der Biosynthese/Photosynthese, bessere am konkreten Standort angepasste Enzyme, schnelleres Wachstum mit früherer Blüten-/Fruchtbildung und dadurch höhere populationsbiologische Konkurrenzfähigkeit (z.B. Copiapoa haseltoniana (Faserwurzel) versus Copiapoa humilis (Rübenwurzel)), Lebensalter, ausdauerndere Diapsorenbank, höhere Saugspannung, um mehr Wasser aus dem Boden zu bekommen, oberflächennahes Wurzelsystem, um z.B. Nebel zu nutzen (z.B. Copiapoa cinerea) etc.
6. Wie Nobby schon sagte, in Chile treten Rübenwurzler und Faserwurzel nebeneinander unter den selben klimatischen Bedingungen auf (z.B. Copiapoa hypogaea (starke Rübe) und Copiapoa marginata "bridgessii" (kaum Wurzelrübe) nördlich Chanaral; Thelocephala odieri und Copiapoa marginata auf dem Morro Copiapo). Was sich häufig unterscheidet ist der Mikrostandort. D.h., Wuchs in sandigen, tiefgehenden Standorten oder z.B. zwischen Felsen. Gerade Felsstandorte sind in ariden Zonen mit hoher Nebelhäufigkeit die am besten mit Wasser versorgten Standorte, da das Wasser an den Felsen kondensiert und gezielt in die vorhanden Spalten läuft. Also, der Mikrostandort ist wichtig.
7. Thelocephala spp. wächst doch vorzugsweise in offenen, ebenen und sandig, lehmige Bodensubstrate charakterisierte Standorte. Von einer effektiven Nebelnutzung ist auf solchen Standorten bei Rübenwurzlern eigentlich nicht auszugehen. Es ist aber u.U. davon auszugehen, dass zumindest manche Arten von Thelocephala ein, wenn auch kleines, oberflächennahes Wurzelsystem ausbilden, dass wiederum in der Lage ist, stärker nässende Nebel zu nutzen. Hinweise hierauf konnte ich bei Thelocephala odieri beobachten. Eine ökologische Anpassung, die im Übrigen Copiapoa cinerea auszeichnet, die u.a. ein sehr oberflächennahes Wurzelsystem hat und tatsächlich in der Lage ist, die Nebel zu nutzen, die stark genug sind, die obersten Zentimeter zu befeuchten. Die ökologischen Untersuchungen zeigen aber auch bei dieser Art sehr deutlich, dass sie auf Regen angewiesen ist, um sich zu reproduzieren.
8. Ohne statistische Auswertung und gezielte ökologische Untersuchungen am Standort geht sowieso nichts.

Viele Grüße

Uli
Viele Grüße

Ulrich Tränkle
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michael
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Re: Eriosyce im weiteren Sinne

Beitrag von michael »

Hallo,

hier noch was zum Thema, Fotos von heute. Die Aussaaten stammen wie erwähnt aus 2007, Samen von Juan Pablo Acosta:

Eriosyce heinrichiana JA01
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Eriosyce villosa JA13
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viele Grüsse
michael
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scoparius
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Re: Eriosyce im weiteren Sinne

Beitrag von scoparius »

Schöne Bilder von CABAC zum Standort von diversen Chilenen. Die Google Karten sind schon erschreckend genau (Zu genau für ein Internet Forum?). Ich hoffe die fantastische Uralt - Villosa wird noch lange dort zu photographieren sein.

Es ist doch sehr spannnend wie unterschiedlich die Anpassungsstrategien an den extremen Lebensraum Atacama bei den nahe beieinander wachsenden Kakteen sein können.
lautaro
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Re: Eriosyce im weiteren Sinne

Beitrag von lautaro »

Hallo,

habe mich gestern bei unserem monatlichen Treffen bei unseren "Feldläufern" nochmals kundig gemacht. Thelocephala findet man bis Freirina, ca 35 Km im Landesinneren von Huasco. Wie auf dem ersten Bild von CABAC zu erkennen ist zieht sich von Huasco bis Freirina ein Tal lang über das der Küstennebel (Camanchaca) ins Landesinnere zieht und offensichtlich dort noch für genügend Feuchtigkeit sorgt. Die Niederschlagsmenge durch Regen ist dort meistens zu vernachlässigen, also handelt es sich um Pflanzen die so angepasst sind, dass sie mit geringen Feuchtigkeitsmengen auskommen. Wie schon erwähnt und auch aus meiner Sicht ist sowohl die Rübenwurzel, als auch die Faserwurzel eine sehr gute Anpassung. Die Rübenwurzel als Speicherorgan, die Faserwurzel um auch die geringsten Feuchtigkeitsmengen durch Nebel aus den obersten Schichten zu saugen. Habe mir von Ricardo Keim erzählen lassen, dass das oberflächliche Wurzelsystem der Copiapoas bis zu 5m Ausdehnung erreichen kann. Dies ist wohl auch die Erklärung dafür, dass zwischen den einzelnen Pflanzen immer ein beträchtlicher Abstand besteht, da sich die Pflanzen sonst gegenseitig Konkurrenz bei der Aufnahme der geringen Feuchtigkeitsmengen machen würden.
Persönlich tendiere ich dazu, dass die Ausbildung verschiedener Wurzelsysteme genetisch bedingt sind, da ja beide das Überleben der Pflanze ermöglichen.
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Lautaro
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Re: Eriosyce im weiteren Sinne

Beitrag von Asclepidarium »

Hallo Herbert und alle anderen,

dann fasse ich mich kürzer:

Ganz erhrlich habe ich etwas den Überblick verloren, welche Ansicht du nun hast? Ich dachte eigentlich, ich habe deine Ansicht (?), das Rübenwurzel Rübenwurzler und Faserwurzler Faserwurzler bleibt, bestätigt?

Hallo Laurato,

die wenigen wissenschaftlichen Veröffentlichungen zum Wurzelsystem von Copiapoa, in diesem Falle C. cinerea subsp. cinerea zeigen sehr eindeutig, dass der Abstand zwischen den Pflanzen eben gerade nicht konkurrenzbedingt ist (vgl. Gulmon et al. (1979): Spatial relationships and competition in a Chilean Desert Cactus. Oecologia (Berl.) 44: 40-43).
Viele Grüße

Ulrich Tränkle
lautaro
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Re: Eriosyce im weiteren Sinne

Beitrag von lautaro »

Hallo Asclepidarium,

meine Absicht war darzustellen, dass sowohl Rübenwurzler als auch Faserwurzler auf ihre Art und Weise an die vorherrschenden Standortbedingungen angepasst sind. Die Ausbildung der einen oder anderen Wurzelart nicht durch Standortbedidungen hervorgerufen werden sondern wahrscheinlich genetisch bedingt sind. Anders kann ich mir nicht erklären, dass be der Aussaat, also unter gleichbleibenden Bedingungen im gleichen Topf einige mit Rübenwurzel ausgestattet sind, andere mit Faserwurzel.
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Re: Eriosyce im weiteren Sinne

Beitrag von Asclepidarium »

Hallo Laurato,

da stimme ich dir voll und ganz zu. S. meinen vorletzten Beitrag:

"3. Wurzelsysteme sind genetisch bedingt. Die Ausprägung, d.h., wie stark ist die Rübenwurzel oder wie ist das Wurzelssystem am konkreten Standort ausgebildet, wird durch genetische "Variationen" vorgegeben, die am konkreten Standort wiederum durch Umweltbedingungen modifiziert werden können, aber nicht müssen. Auf die Kultur übertragen heißt dies, dass eine gut gedüngte und gewässerte Pflanze durchaus eine kleinere Rübenwurzel machen kann, aber nicht muss. Die kleine Auswertung von Nobby zeigt dies ganz deutlich."

Oder anders ausgedrückt:

Die Rübenwurzel der Thelocephalas ist eine ökologische Anpassung an aride Standorte.
Ich denke allerding nicht, dass Rübenwurzel und Nebelhäufigkeit direkte ökologische Zusammenhänge haben. Aufgrund des Standorts von Thelocephala (ebene, tiefgründige Flächen) und der Körpermorphologie (flache Körper, kleine Dornen), sind Theocephalas nicht in der Lage den Nebel auszukämmen. Das Wurzelsystem ist meiner Ansicht nach nicht oder nur in Teilen oberflächig und kann somit auch kaum Wasser aufnehmen.
Wofür der Nebel allerdings sorgt, ist, dass die Wasserverluste durch die unerlässliche Transpiration gesenkt werden und so die Arten länger unter extremen Bedingungen überleben können.
Es ist aber davon auszugehen, dass Thelocephalas analog Copiapoa cinerea Regen benötigen, um die Population zu erhalten (s. die oben zitierte Literatur).
Viele Grüße

Ulrich Tränkle
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davissi
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Re: Eriosyce im weiteren Sinne

Beitrag von davissi »

Hallo zusammen,

Hier mal wieder ein Update von der Neoporteria napina:
Bild

Momentan macht sie "Pause" und steht im GWH.
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scoparius
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Re: Eriosyce im weiteren Sinne

Beitrag von scoparius »

Ein paar Vor-Winterblüten
Dateianhänge
Eriosyce subgibbosa (Np. microsperma) KK51 2011 Oktober30.jpg
Eriosyce villosa 2011 Oktober30.jpg
Eriosyce villosa 2011 Oktober23.jpg
lautaro
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Re: Eriosyce im weiteren Sinne

Beitrag von lautaro »

Heute möchte ich die von Ingrid Schaub und Ricardo KLeim in Cactus & Co (5) 2011 beschriebene Eriosyce (Thelocephala) pajonalensis vorstellen. Juan Acosta führt sie unter JA 133 eriosyce aff odieri seit einigen Jahren in seinem Katalog. Auch das hier gezeigte Exemplar wurde bereits im Februar 2006 ausgesät, derzeitiger Durchmesser stolze 31 mm, dennoch ist die Blüte beeindruckend. Ich zeige einmal den Körper, s die geographische Lage von Caleta Pajonales (Quelle "El Mercurio" vom 6.11.2011), mit der neuen Küstenschnellstrasse, die sich zZ teilweise noch im Bau befindet und eine Aufsicht der Blüte

Mit transatlantischen Grüssen und ein gesegneter 1. Advent
Lautaro
Dateianhänge
Eriosyce pajonalensis (Körper)
Eriosyce pajonalensis (Körper)
DSCN2388-2.JPG (72.56 KiB) 7630 mal betrachtet
Caleta Pajonalensis
Caleta Pajonalensis
Top.bmp-1.jpg (66.43 KiB) 7630 mal betrachtet
Eriosyce pajonalensis (Blüte)
Eriosyce pajonalensis (Blüte)
DSCN2386-1.JPG (71.84 KiB) 7630 mal betrachtet
Mit transatlantischen Grüssen
Lautaro
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